PRCC Sebastian Purps Pardigol
Karriere

Führen mit Hirn

Veröffentlicht am 22.02.21 von Juliane Weidtmann

Moderne Führung – ein Anspruch, der in aller Munde ist. Aber was genau heißt moderne Führung überhaupt? Was macht einen Chef zu einer zeitgemäßen Führungskraft? Was wird erwartet und wie unterscheiden sich moderne Ansätze von alten? Darüber hat Managementberater und Hirnforscher Sebastian Purps-Pardigol im Rahmen eines Morning Coffee mit Mitgliedern der Modern Leaders-Initiative gesprochen. Lesen Sie hier eine Zusammenfassung der zentralen Aussagen.

Ein Aspekt ist die Offenheit für fachfremde Ansätze und Erkenntnisse. Führung und Neurowissenschaften mögen auf den ersten Blick nicht viel miteinander zu tun haben. Doch dieser Eindruck täuscht, sagt Sebastian Purps-Pardigol. Seit über zehn Jahren analysiert er die Muster des Gelingens erfolgreicher Unternehmen und verbindet die Erkenntnisse mit denen der Hirnforschung.

Persönlichkeitsentwicklung statt Delegieren

Moderne Führung hat nichts mit dem Alter oder Werdegang der Führungskraft zu tun, findet Sebastian Purps-Pardigol. Vielmehr ist Moderne Führung ein Mindset – und man darf nicht dem Irrglauben erliegen, dass man dieses Mindset automatisch in hippen Start-Ups findet, oder dass es in Traditionsunternehmen nicht vorkommt. Die Führungskräfte von heute stehen unabhängig von Branche und Unternehmensgröße vor anderen Aufgaben als noch vor zehn, fünfzehn Jahren: Während es früher darum ging, Aufgaben sinnvoll zu delegieren und das Personal zu steuern, geht es heute vielmehr darum, dass Mitarbeitende sowohl geistig gesund und engagiert bleiben als auch die in ihnen liegenden kreativen Potenziale noch mehr entfalten können. Es werden heute andere Kompetenzen und Methoden benötigt, um ein erfolgreiches Team zu leiten. Für eine Führungskraft bedeutet das: Es geht nicht mehr nur um das Ansammeln von Führungswerkzeugen sondern viel mehr um die Persönlichkeitsentwicklung der Führungskraft selbst.

Affect Labeling: Neurowissenschaft trifft Kommunikation

Der Schlüssel zum Erfolg ist eine gute Beziehung zwischen Führungskraft und Teammitgliedern. Gerade in der aktuellen Zeit, in der die Kommunikation untereinander meist am Telefon oder per Videocall stattfindet, stellt der Aufbau einer solchen Beziehung viele vor eine besondere Herausforderung. Ein persönlicher Gesprächsbeginn kann das Verhältnis verbessern und gleichzeitig die Leistungsfähigkeit des Einzelnen erhöhen. Schon die simple Frage „Wie geht es Dir?“ kann – sofern sie ehrlich beantwortet wird – Wunder wirken. Und das nicht etwa nur, weil Interesse am Wohlbefinden Fürsorge vermittelt. Tatsächlich entsteht ein Effekt, den die Wissenschaft Affect Labeling nennt: im Grunde nichts anderes als Gefühle in Worte zu fassen.

Aber was genau geschieht, wenn man ausspricht, was einen bewegt? Die Amygdala ist der Teil des Gehirns, der für die emotionale Bewertung von Situationen zuständig ist. Ist sie aktiv, reduziert das die Tätigkeit des präfrontalen Cortex, der wiederum uns Menschen zu etwas besonderem macht – er steuert unter anderem die Impulskontrolle und höhere geistige Leistungen. Ist die Amygdala besonders aktiv, verlieren wir den Zugriff auf diese höhere geistige Leistung. Artikuliert man aber das, was einen emotional bewegt, reduziert sich die Aktivität der Amygdala um bis zu 70%. Damit wird der/die Sprecher:in nicht nur ruhiger und weniger emotionsgesteuert, sondern er erhält mehr Zugriff auf seine höheren geistigen Leistungen. Gleichzeitig entsteht eine Verbundenheit mit dem Gegenüber, der Umgang wird – vereinfacht gesagt – menschlicher.

Knackpunkt Feedbackkultur

Nicht jede/r Mitarbeiter:in ist uneingeschränkt offen für den Aufbau einer solchen Beziehung. Manch einer kommt aus einer völlig anderen Führungskultur (manchmal sogar innerhalb des gleichen Unternehmens) und der Aufbau einer persönlichen Beziehung fällt schwer – aus Angst vor Konflikten bei ehrlichem Feedback oder weil sie sich nicht trauen, vermeintliche Schwächen zu zeigen. Hier hilft nur die Etablierung einer veränderten Feedbackkultur. In all den Jahren seiner Arbeit, sagt Sebastian Purps-Pardigol, habe er nicht ein einziges Unternehmen begleitet, in dem in diesem Bereich nicht noch Luft nach oben gewesen wäre. In einem solchen Fall sollte zu Beginn ein intensiver Workshop dazu stattfinden, damit die Teilnehmenden eine Referenzerfahrung machen, wie man Feedback im Alltag gibt. Das Ziel eines solchen Austausches ist es, den Mitarbeiter:innen die unterschwellige Angst vor Feedback zu nehmen. Denn zumeist liegt die negative Assoziation darin begründet, dass Feedback mit Kritik oder Strafe gleichgesetzt wird.

Damit die Mitarbeiter:innen die veränderte Beziehungskultur annehmen können, bedarf es neuer Strukturen, die es möglich machen, sich aktiv einzubringen. Viele Führungskräfte, so Purps-Pardigol, empfinden es als ausreichend, die Mitarbeiter:innen aufzufordern, ihre Ideen zu formulieren. Haben diese Mitarbeiter:innen aber jahrelang gelernt, dass ihre Vorschläge ohnehin kritisiert werden oder ungehört bleiben, reicht die Aufforderung allein in der Regel nicht aus.

Kopfkino vermeiden – Veränderung erreichen

Theoretisch ist das Gehirn dank der sogenannten Neuroplastizität fähig, Verhaltensweisen und Gedankenstrukturen ein Leben lang zu verändern. Neue Botenstoffe werden dann ausgeschüttet, wenn wir uns mit etwas beschäftigen, das uns emotional berührt. Daher ist das Verhältnis zu den Mitarbeiter:innen so wichtig – Beziehungen verändern Denkweisen. Zudem ist es von enormer Bedeutung, dass die Menschen die Prozesse um sich herum verstehen, damit kein negatives Kopfkino entsteht. „In Phasen von Unsicherheit beginnen Mitarbeitende sonst die meist nur wenigen Informationen auf eine hoch pathologische Art miteinander zu verknüpfen“, so Purps-Pardigol. Wer jedoch viele Informationen zur Verfügung stellt, sorgt dafür, dass jedes Teammitglied ein möglichst vollständiges Bild im Kopf hat und damit günstigere innere Bilder erschafft.

Führung mit persönlichem Touch – nicht jedermanns Sache

Für den Aufbau einer ehrlichen Beziehungskultur reicht es natürlich nicht, dass die Mitarbeiter:innen lernen, Menschlichkeit zu zeigen. Vielmehr muss die Führungskraft mit gutem Beispiel voran gehen. Kommunikation ist gerade in Veränderungsprozessen ungemein wichtig. „Ich bezeichne es als Demut von Führungskräften, die eigenen Limitierungen zu kennen und auch darüber zu sprechen“, sagt Purps-Pardigol. „Wissenschaftliche Untersuchungen beweisen: Die Teams von demütigen Führungskräften sind messbar leistungsfähiger, entwickeln sich schneller und sind loyaler als andere.“

Dazu gehört auch, dass nicht jeder Satz klingt wie aus einer Imagebroschüre. Sprache kann Barrieren aufbauen – oder sie senken. Führungskräfte tun also gut daran, nicht den Anschein erwecken zu wollen, perfekt zu sein. Zu Beginn solcher Veränderungen in der Führungskultur zeigt sich in der Regel eine klare Akzeptanzverteilung. 10-15% der Belegschaft sind begeisterte Anhänger. 70-75% sind abwartend, aber über die nächsten Monate begeisterungsfähig. Der Rest verweigert sich – zumindest anfangs.

Nicht wollen oder nicht können – ein feiner Unterschied

Bei diesen Teammitgliedern im Widerstand muss man unterscheiden zwischen denen, die die Veränderung nicht annehmen wollen und denen, die es nicht können. „Bei denen, die nicht können, könnten bereits frühkindliche Sozialisierungen „schuld“ sein. Denn viele Leute projizieren auf den Chef das Verhältnis zu den Eltern. Ist die Erfahrung hier: Alles was Du machst, ist schlecht, nicht gut genug, zieht sich das oft ins Berufsleben. Hier kannst Du als Führungskraft nur wenig ausrichten“, sagt Purps-Pardigol. Solche Mitarbeiter:innen sollten dann Aufgaben bekommen, mit denen sie sich wohlfühlen und bei denen sie nach vordefinierten Strukturen und Prozessen arbeiten können.

Mit denen, die sich bewusst verweigern, sollten Führungskräfte in einen tieferen Dialog gehen. Nicht jeder, der nicht sofort mitgestalten will, ist ein schlechter Mitarbeiter. Leute, die Schwierigkeiten mit einem Chef haben, der Schwächen zeigt, kann man aber geradeheraus fragen: Was erwartest Du von mir als Chef? Wie happy bist Du mit mir und was sollte ich in Deinen Augen verändern? Was müsste ich an meinen Qualitäten als Führungskraft verändern, um auf Deiner Skala einen Punkt nach oben zu rutschen? Ein offener Dialog und die entsprechende Geduld können hier auch bei Verweigerern letztendlich zu einer Veränderung des Mindsets führen.

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